Die Kriterien der Auftragsvergabe im graphischen Gewerbe, speziell die der Druckvorstufe und die der Druckerei, durchleben einen rasanten Wandel. Konnte man früher auf Stammkundschaft aufbauen, so muss man jetzt komplett anders vorgehen, um den nötigen Umsatz einzufahren. Ein Rückblick in alte Zeiten, der heutige Stand und eine vorsichtige Prognose in die nahe Zukunft.
Anno dazumal
Ja damals, da war alles besser und aufrichtiger – hört man immer wieder von alteingesessenen Unternehmen, welche seit mehr als 20 Jahren existieren.
Man hatte seine treue Stammkundschaft, vor allem Werbeagenturen, konnte noch ordentliche, leistungsgerechte Preise verlangen und die Konkurrenz war überschaubar. Permanentes Dumping, Liefertermine „Gestern“ und ahnungslose Besserwisser waren die eher die Ausnahme.
Ganz klar, früher gab es keine Computer, und wer sich im graphischen Gewerbe als Lithograph, Drucker, … selbständig machen wollte, musste vorher erst Unsummen investieren, um überhaupt einmal sein Büro zu eröffnen. Dunkelkammer, Scanner, Belichter, Drucker kosteten unter Umständen Millionen. Auch die Anforderungen an Mitarbeiter waren ungleich höher, waren doch Fehler wesentlich schmerzhafter und kostspieliger als heute, wo man einfach ein paar Schritte per Maus-Klick im Protokoll zurückgeht.
Neunziger Jahre
Der erste wirklich grosse Umbruch kam Anfang der 90er Jahre. Brauchbare Computer und Programme, allen voran Apple, Photoshop und XPress, sowie digitale Filmbelichter und Drucker tauchten auf und beschleunigten und vereinfachten das Arbeiten. Einzelne Arbeitsschritte konnten selbst von Laien durchgeführt werden. Die Preise sanken dramatisch.
Aber nicht nur das Auftauchen von Computern lösten den grossen Umbruch aus, sondern auch die Öffnung des Ost-Marktes. Werbeagenturen und einzelne Druckereien eröffneten Büros in den ehemaligen Ostblock-Staaten, um von den wesentlich billigeren Arbeitskräften zu profitieren. Für viele, wie wir heute wissen, eine durchaus schmerzliche und nervenaufreibende Sache.
21. Jahrhundert – heute
Anfang des 21. Jahrhundert vollzog sich der nächste grosse Wandel. Computer samt Programme konnte sich mittlerweile jedes Unternehmen leisten, auch die Anwender waren in der Lage diese Programme zu bedienen. Unternehmen leisteten sich entweder einen eigenen Graphiker oder stellten einfach einen ihrer PC-begeisterten Mitarbeiter für graphische Arbeiten ab.
Ebenso kehrten Werbeagenturen den Ostblockstaaten Experiment den Rücken und liessen den Grossteil der Arbeiten ihren eigenen Kreativen durchführen bzw. gründeten eine Briefkastenfirma, welche sämtliche Arbeiten in der Druckvorstufe und eventuellen Digitaldruck erledigen.
Frei nach dem Motto:
Je weniger aus dem Haus gegeben wird, umso mehr der eigene Umsatz.
Das Qualitätskriterium war hier nur an zweiter Stelle.
Einzelne Unternehmen versuchen zwar wieder billigst im Ausland produzieren zu lassen (Stichwort: Freisteller aus China, Programmierung aus Indien), die meisten haben aber kapiert, dass diese Vorgehensweise ein durchaus zweischneidiges Schwert sein kann. Schließlich könnte ja selbst der eigene Kunde auf die Idee kommen, seine Jobs in Asien produzieren zu lassen. Da ist auf lange Sicht gesehen besser, die eigene Wirtschaft zu stärken.
Heute – 2010
Zur Zeit ist wieder ein Umdenken im Gange, welche sich positiv auf die Druckvorstufen und Druckindustrie auswirken könnte. Man merkt, dass es nicht nur vom Vorteil ist, alles selbst zu machen. Für viele Aufgaben benötigt man Experten und diese lassen sich extern kostengünstiger, schneller, qualitativ hochwertiger und fehlerfreier produzieren.
Das ganze läuft unter dem neumodischen Begriff Outsourcing.
Man muss keine Mitarbeiter mehr zu Arbeiten bemühen, für die sie nicht bestimmt sind, man braucht sich keinen Kopf um die Qualität der Arbeiten zu machen, man verschwendet keine Ressourcen ausserhalb der eigentlichen Tätigkeit, für welche das Unternehmen / die Agentur steht, man halst sich keinen zusätzlichen Terminstress auf und man schont Nerven für das eigentliche Kerngeschäft.
Umsatz ja, aber nicht zu jedem Preis.
Vor allem sollte dieser aus dem Kerngeschäft kommen. Für alles andere bemüht man lieber externe Fachkräfte.