Der Druckvorstufenbereich verkommt immer mehr zur Farce. Obwohl, oder vielleicht gerade deswegen, die einzelnen Softwarekomponenten immer umfangreicher und leistungsfähiger werden, verliert die Werbebranche einen der wichtigsten Leistungsträger und Garant für Qualität: den Experten für Lithographie und Druckvorstufe. Man mag es fast nicht glauben, in den Werbeagenturen und Druckereien sitzen zum grössten Teil Leute, welche von der Druckvorstufe und Datenaufbereitung so gut wie keine Ahnung haben, obwohl diese heutzutage den grössten Teil der Druckunterlagen herstellen.
Die fehlende Kenntnis schlägt sich in in erster Linie mangelnder Qualität nieder. Dazu kann man sich leicht und schnell selbst überzeugen, wenn man sich diverse Inserate in den Zeitungen ansieht, wo Expertenwissen dringend von Nöten wäre. Die meisten davon sind zu flau, flach, dunkel, etc. Von Werbebotschaft kann hier keine Rede mehr sein.
Klar, Druckunterlagen für den Zeitungsdruck verlangen wesentlich mehr fachliches Wissen, als für den normalen Offsetdruck, wo mittlerweile jeder Hobby-Graphiker brauchbare Ergebnisse erzielen kann. Womit wir wieder beim Ausgangsthema wären, dass gerade es an Fachleuten fehlt.
Doch warum kann die gesamte Werbeindustrie fast keine Experten mehr aufweisen, bzw. wo sind diese Fachleute alle verschwunden?
Fehlende Ausbildung
Es gibt zwar viele schulische Ausbildungsstätten, wie die Werbeakademie oder die Graphische Lehr- und Versuchsanstalt, aber wie bei jeder anderen Schule auch, können diese nur grobes Allgemeinwissen vermitteln. Die Spezialisierung bzw. der Weg zum Experten kann nur über die Praxis erfolgen, und genau an diesem Punkt herrscht grosser Nachholbedarf in der deutschen und österreichischen Werbeszene.
Leider ist es heute so, dass (zur Veranschaulichung nehmen wir uns die Werbeagenturen vor, kann aber auf jede andere Sparte der Werbung ausgelegt werden) Werbeagenturen so gut wie nicht mehr bereit sind, in ihre Mitarbeiter zu investieren und diese weiter auszubilden, sei es aus Unkenntnis, falscher Geldgier, oder Angst, die baldige Konkurrenz auszubilden.
Ãœblicherweise sieht es so aus, dass ein Neuer – nach Vorstellung seiner Arbeitskollegen, Zuweisung seines Arbeitsplatzes und einer groben 10-minütigen Einweisung in die bestehende Datenstruktur – auf sich alleine angewiesen ist. Keine Einschulung über die Arbeitsweise, keine Erfassung über den Wissensstand, keine Abgleichung der Arbeitsweise, keine Schulung über die Möglichkeiten des Programmes, keine Weiterbildung, etc.
Wenn die Agentur Glück hat, verfügt der Neuling bereits über Fachwissen, andererseits wird dieser ausgetauscht, oder solange zermürbt, bis dieser freiwillig geht. Interne Weiterbildungen sind praktisch nicht vorhanden, und wenn dann nur in Form von langwierigen Bla-Bla-Seminaren durch Theoretiker. Das in der Werbeszene bekannte Kommen und Gehen findet statt. Anstatt selbst Leute auszubilden wird von anderen Agenturen schamlos abgeworben, in der Hoffnung einen Experten zu angeln.
Billig muss er sein
Je billiger umso besser, denken sich die Bosse. Nur lässt sich kaum ein Experte um einen Hungerlohn anwerben. Aber es heisst doch, in der Werbeszene verdient man ganz gut, sehr gut sogar, im Vergleich zu anderen Jobs.
Das stimmt auch zum grössten Teil. Die Einstiegsgehälter für Leute, welche noch nicht das technische Know-How verfügen sind allerdings bestens. Nur würde man am liebsten dieses Gehalt auch den raren Fachexperten zahlen, und das ist entschieden zu wenig. Was bleibt ist, dass man dann doch wieder einen Neuen von der Konkurrenz abwirbt, in der Hoffnung einen Experten quasi umsonst zu angeln.
Fehlendes Know How = Ãœberstunden
Es gibt wohl kaum ein anderes Gewerbe, wo Überstunden so an der Tagesordnung stehen, wie in der Werbeindustrie. Jetzt darf natürlich jeder mal mitraten, warum dies so ist.
- Knapper Zeitplan
- zuviel Arbeit
- zuviel Sonderwünsche des Kundes
- …
Spielt sicher alles mit eine Rolle, der Hauptgrund für Überstunden ist aber schlicht das fehlende Know-How bzw. die mangelnde Erfahrung. Werbeakademien, Fortbildungskurse über z.B Wifi sind zwar nett, machen aber noch lange keine praxiserprobten Fachexperten aus. Da die Agenturen kaum mehr in ihre eigenen Mitarbeiter in Form von Weiterbildung, Optimierung o.ä. investieren, bleiben die meisten Mitarbeiter auf dem technischen Niveau der 90er Jahre hängen, in dem Jahrzehnt wo der grosse Umbruch von der manuellen zur digitalen Druckvorstufe stattgefunden hat.
Da wird die Verwendung eines neuen Filters als grosse Weiterentwicklung gefeiert. Absatzformate, Zeichenformate, Objektstile, Bibliotheken, Automatisierung von Arbeitsschritten, Smart Objects, Datenmanagement, Farbmanagement, Workflow, etc. kennen die meisten nur vom Hörensagen.
Aber genau diese Punkte sollten den einzelnen Unternehmen wichtig sein, ermöglichen diese doch eine schnellere, effizientere und vor allem fehlerfreie Arbeitsweise. Es wird sicherlich wieder die Zeit kommen, wo höchste Qualität und rasches, sowie fehlerfreies Arbeiten verlangt wird. Die wenigen Leute, welche dann noch über dieses Fachwissen verfügen, werden dann wohl jeden Preis verlangen können.
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